Die Bereichsverantwortliche Elektrofachkraft (bVEFK)
In Unternehmen mit vielschichtiger Technik und arbeitsteiligem Aufbau genügt es häufig nicht, eine einzige verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) für den gesamten Standort einzusetzen. DIN VDE 1000-10 und die Fachliteratur verwenden deshalb erweiterte Funktionsbezeichnungen, um die Verantwortung feiner zu staffeln. Eine davon ist die Bereichsverantwortliche Elektrofachkraft (bVEFK) – auch BVEFK oder B-VEFK genannt. Sie übernimmt die Fach- und Aufsichtsverantwortung für einen klar abgegrenzten Betriebsteil (z. B. eine Produktionshalle, ein Gebäudecluster oder ein Funktionsbereich wie „Bühne“ oder „IT-Infrastruktur“) und handelt dabei als untergeordnete Instanz zur gesamtverantwortlichen Elektrofachkraft des Standortes (gVEFK) und – bei Konzernstrukturen – zur organisierenden Gesamt-VEFK (oGVEFK). Definitionen aus einschlägigen Richtlinien beschreiben die bVEFK als „Elektrofachkraft, die vom Unternehmen beauftragt ist, die Fach- und Aufsichtsverantwortung im Elektrobereich für einen bestimmten Betriebsteil zu übernehmen“ . Die Bereichsverantwortliche Elektrofachkraft ist die operative Schlüsselfigur in mehrstufigen Elektrosicherheitsorganisationen. Durch ihre klare, schriftlich abgegrenzte Verantwortung sorgt sie dafür, dass elektrische Sicherheit im Teil-Betrieb täglich gelebt wird, Strategien der gVEFK/oGVEFK wirksam umgesetzt werden und Rechts- und Haftungssicherheit bis in die untersten Prozessebenen reicht.
Gerade in technik-intensiven Großunternehmen mit heterogenen Anlagenstrukturen gewährleistet erst die bVEFK, dass kein Bereich zwischen die Stühle von Standort- und Konzernverantwortung fällt. Damit vervollständigt sie die Kette von der Unternehmensleitung bis zum einzelnen Arbeitsauftrag und stellt – gemeinsam mit gVEFK und oGVEFK – eine gerichtsfeste, lückenlose Elektrosicherheitsorganisation sicher.
Rechtliche Grundlagen und Delegationsmechanismus - Allgemeiner Rechtsrahmen
Wie jede VEFK stützt sich die bVEFK auf die Pflichtenübertragung nach § 13 ArbSchG und § 9 OWiG. Der Unternehmer kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich mit Arbeitgeber- bzw. Unternehmerpflichten betrauen. Für den Elektrobereich fordert DGUV Vorschrift 3, dass elektrische Anlagen nur von EFK oder unter deren Leitung und Aufsicht errichtet, geändert und betrieben werden. Überträgt der Unternehmer diesen Verantwortungsbereich für einen Teil-Betrieb auf eine bVEFK, bleibt seine originäre Gesamtverantwortung erhalten, wandelt sich aber – wie bei gVEFK und oGVEFK – in eine Überwachungs- und Auswahlpflicht.
Schriftliche Bestellung und Geltungsbereich - Die Bestellung muss eindeutig festlegen
sachliche Grenzen (z. B. „Verfahrenstechnik“, „Logistik-Energieversorgung“) und
weisungsrechtliche Befugnisse.
Die Fachliteratur empfiehlt, in großen Organisationen eine klare Namenssystematik einzuführen – etwa G-VEFK → R-VEFK → B-VEFK – um Verantwortungsbereiche transparent abzubilden. Entscheidend ist, dass sich die Verantwortungsgebiete nicht überschneiden und dass für jeden Anlagenteil eine Fachverantwortung benannt ist; nur so wird das Risiko eines „Pflichten-Vakuums“ ausgeschlossen.
Stellung im Delegationsgefälle
Die Delegationskette kann – vereinfacht – wie folgt aussehen:
Sie empfängt strategische Vorgaben (z. B. Prüffristen, Lock-out/Tag-out-Standards) von gVEFK/oGVEFK,
setzt sie bereichsspezifisch um und
meldet Kennzahlen, Mängel und Eskalationsfälle zurück.
Aufgaben- und Pflichtenkatalog der bVEFK
Aufgabencluster
Typische Pflichten der bVEFK
Rechts-/Normbezug
Organisation & Dokumentation
• Erstellen von Arbeits- und Betriebsanweisungen für den Bereich • Pflege der Anlagen- und Prüfdokumentation • Koordination externer Dienstleister im eigenen Bereich
ArbSchG §3; DIN VDE 0105-100; DGUV V3
Prüfung & Instandhaltung
• Planung/Wochensteuerung der DGUV-V3-Prüfungen • Abnahme nach Instandhaltungen • Entscheidung über Weiterbetrieb, Reparatur oder Außerbetriebnahme
BetrSichV §14; DGUV Information 203-070
Aufsicht & Weisung
• Fachliche Leitung der EFK/EuP im Bereich • Freigabe gefährlicher Arbeiten (z. B. Arbeiten unter Spannung) • Kontrolle der Einhaltung von PSA- und Zutrittsregeln
DGUV V3 §3; DIN VDE 1000-10
Gefährdungsbeurteilung
• Durchführung/Update der elektrotechnischen Gefährdungsanalyse für alle Anlagen des Bereichs • Ableitung von Schutzmaßnahmen und Unterweisungsbedarf
BetrSichV §3; ArbSchG §5
Unterweisung & Qualifikation
• Jahresunterweisungen für EFK/EuP • Vorschlag von Fortbildungsmaßnahmen • Kompetenzmatrix führen
ArbSchG §12; DGUV regel 100-001
Unfall- & Störfallmanagement
• Erst-Analyse elektrischer Vorfälle • Meldung an gVEFK + SiFa • Einleitung Sofort- und Präventivmaßnahmen
DGUV V2; BetrSichV §9
(eigene Darstellung nach DIN VDE 1000-10, DGUV V3 und betrieblichen Richtlinien)
Die Intensität der Aufgaben hängt von Größe und Gefährdung des Betriebsteils ab. In einer Robotik-Fertigung wird die bVEFK z. B. stärker in SPS-Sicherheit, Not-Halt-Konzepte oder Lichtbogengefahren eingebunden, während eine bVEFK im Verwaltungsgebäude primär ortsveränderliche Betriebsmittel und NS-Verteilungen betreut.
Abgrenzung zu gVEFK und oGVEFK
Merkmal
bVEFK
gVEFK
oGVEFK
Geltungsbereich
Teil-Betrieb / Funktions- oder Gebäudebereich am Standort
Fachlich innerhalb des abgegrenzten Bereichs; berichtet an gVEFK
Fachlich weisungsfrei, berichtet an oGVEFK/Geschäftsleitung
Fachlich weisungsfrei gegenüber gVEFK; berichtet an Unternehmensleitung
Typische Delegationsdokumente
Arbeits- und Betriebsanweisungen, Schaltfreigaben
Standort-Richtlinien, Prüf-/Investitionspläne
Konzern-Policies, Zentralvorgaben, Auditberichte
Eskalationsweg
gVEFK bei Ressourcenbedarf oder Grundsatzfragen
oGVEFK / Geschäftsführung
Geschäftsführung / Vorstand
Die Tabelle zeigt: bVEFK ist die Schnittstelle zwischen Strategie und Shopfloor. Während gVEFK und oGVEFK Normeninterpretation, unternehmens-weite Standards und Ressourcenzuteilung verantworten, sorgt die bVEFK für konkrete, normkonforme Praxis im ihr anvertrauten Teil-Betrieb.
Schnittstellen und Zusammenarbeit - bVEFK ↔ Facility Management (FM)
Prüf- und Wartungskoordinierung für gebäudetechnische Anlagen im Bereich (NSHV, USV, Beleuchtung).
Zutrittsregelung zu abgeschlossenen elektrischen Betriebsstätten.
Freigabeprozesse für Fremdfirmen, die innerhalb des Bereichs Elektroarbeiten durchführen.
bVEFK ↔ Produktions-/Prozessverantwortliche
Einbindung in MOC-Verfahren (Management of Change) bei Anlagenumbauten.
Beratung zu Maschinensicherheit und CE-Konformität.
bVEFK ↔ Sicherheitspersonal (SiFa, Brandschutz)
Gemeinsame Gefährdungsbeurteilungen und Unfallanalysen.
Abstimmung bei brandschutztechnischen Belangen (Selektivität, Abschaltbedingungen, Not-Aus).
Teilnahme an standort- oder konzernweiten Elektrosicherheits-Gremien.
Vertretungs-/Rollenklärung bei Urlaub, Krankheit oder Vakanzen.
Qualifikation und persönliche Eignung
Die bVEFK muss alle Kriterien einer VEFK nach DIN VDE 1000-10 erfüllen – i. d. R. Meister, Techniker oder Ingenieur der Elektrotechnik – und darüber hinaus bereichsspezifische Expertise (z. B. Explosionsschutz, Bühnentechnik, IT-Stromversorgung) besitzen.
Ebenso wichtig sind:
Führungskompetenz: Anleitung mehrerer EFK-Teams, Durchsetzung von Sicherheitsregeln.
Kommunikationsfähigkeit: Schnittstellen zu Prozess- und Betriebsführung, Fremdfirmen, Behörden.
Zuverlässigkeit und Durchsetzungsstärke: notwendige Entscheidungen auch unter Kostendruck treffen.
Viele Unternehmen unterstützen angehende bVEFK mit Mentoring durch die gVEFK, Hospitationen und Fachseminaren (z. B. „VEFK in Teilbereichen“).
Praxisbeispiele
Bühnenbereich eines Rundfunkhauses: Eine bVEFK verantwortet Prüfungen der Bühnen- und Studiotechnik, koordiniert Umbauten während Sendepausen und achtet auf selektive Abschaltung bei temporären Stromerweiterungen.
Betriebschemie-Standort: Mehrere bVEFK teilen sich Prozesslinien (Synthese, Abfüllung, Energiezentrale); jede hat spezifische Explosionsschutzkenntnisse und berichtet an eine zentrale gVEFK.
Multistore-Logistikzentrum: Eine bVEFK kümmert sich ausschließlich um fördertechnische Anlagen, IT-Kleinverbraucher und Ladeeinrichtungen der Flurförderzeuge; sie stimmt sich täglich mit Instandhaltungs- und FM-Team ab.