Hoch- und Mittelspannungsanlagen
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Hoch- und Mittelspannungsanlagen
Dieses Dokument definiert die verbindlichen Betreiberpflichten in Planung, Betrieb und Instandhaltung von ortsfesten Hoch- und Mittelspannungsanlagen (KG 441) eines Industriegebäudes. Grundlage sind die Verordnung (EU) 2024/573 über fluorierte Treibhausgase sowie das VDMA-Einheitsblatt 24186-5 für elektrotechnische Wartung. Ziel ist die rechtskonforme Umsetzung der F-Gas-Vorgaben (einschließlich SF₆-Ausstieg), die Minimierung von Emissionen, der Erhalt sicherer Betriebszustände sowie eine auditfeste Dokumentation im Rahmen des Facility Managements. Die nachfolgenden Bestimmungen dienen der konsistenten Vertragsgestaltung und konkreten Vorgabe von Prüfkriterien.
Vertragsgegenstand ist die vollständige, frist- und normenkonforme Leistungserbringung einschließlich zertifikatsgebundener Ausführung, SF₆-Ausstiegsplanung, Dichtheits- und Re-Prüfprozessen, regelmäßiger Kontrolle der Leckage-Erkennungssysteme sowie der planmäßigen Wartung von Schaltanlagen und Transformatoren. Sämtliche Nachweise sind revisionssicher zu führen; Abweichungen sind gemäß der Eskalationslogik zügig zu beheben. Diese Maßnahmen gewährleisten den sicheren, umweltgerechten und störungsfreien Betrieb der Anlagen.
Sichere Betriebsführung von Hoch- und Mittelspannungsanlagen
- Anlagenabgrenzung
- Normenüberblick
- Referenzgrößen
- Ausstiegsplanung
- Emissionsvermeidung
- Leckreparatur
- Dichtheitskontrollen
- Leckage
- Zertifizierungspflichten
- Schaltanlagen
- Transformatorenstationen
- Maßnahmenplanung
- CAFM-Führung
- Verantwortlichkeiten
- Leistungskennzahlen
Anwendungsbereich und Anlagenabgrenzung
Der Anwendungsbereich umfasst alle ortsfesten elektrischen Schaltanlagen und zugehörigen Komponenten im Hoch- und Mittelspannungsbereich, einschließlich Transformatorenstationen. Hierzu zählen insbesondere gasisolierte Schaltfelder mit fluorierten Treibhausgasen (z. B. SF₆). Ausgenommen sind Einrichtungen ohne F-Gas-Bezug oder Anlagen ohne elektrotechnische Komponenten, die nicht in den Wartungsumfang des VDMA 24186-5 fallen. Die exakten Schnittstellen zu anderen Gewerken (z. B. Kälte- oder Löschanlagen) werden vertraglich separat geklärt.
Rechts- und Normenüberblick
Zentrale Rechtsgrundlage ist die EU-Verordnung (EU) 2024/573 (F-Gas-VO). Sie enthält verschiedene Betreiberpflichten. Dazu zählen eine generelle Emissionsminderungspflicht (Art. 4 Abs. 1 u. 3), die sofortige Reparatur von Leckagen (Art. 4 Abs. 5) und die regelmäßige Durchführung von Dichtheitskontrollen (Art. 5), sowie die Ausstattung der Anlagen mit Leckage-Erkennungssystemen (Art. 6). Ferner schreibt die Verordnung die Zertifizierung des Fachpersonals und der Wartungsunternehmen vor (Art. 4 Abs. 7). Das VDMA-Einheitsblatt 24186-5 ergänzt diese Vorgaben um ein umfassendes Wartungsprogramm für elektrotechnische Geräte und Anlagen (z. B. Schaltanlagen, Transformatoren). Nachfolgend sind zentrale Regelwerke und Pflichten beispielhaft zusammengefasst:
| Kategorie | Regelwerk | KL | Textstelle | Verpflichtung (Kurzbeschreibung) |
|---|---|---|---|---|
| EU-Verordnung | VO (EU) 2024/573 | KL1 | Art. 13 Abs. 7 | Verbot der SF₆-Verwendung in der Instandhaltung ab 01.01.2035; Ausnahmen nur mit Nachweisdokumentation |
| EU-Verordnung | VO (EU) 2024/573 | KL1 | Art. 4 Abs. 1 | Verbot absichtlicher F-Gas-Freisetzungen (sofern nicht technisch notwendig) |
| EU-Verordnung | VO (EU) 2024/573 | KL1 | Art. 4 Abs. 3 | Pflicht zur Vorbeugung unbeabsichtigter Freisetzungen; technisch/wirtschaftlich zumutbare Minimierungsmaßnahmen |
| EU-Verordnung | VO (EU) 2024/573 | KL1 | Art. 4 Abs. 5 | Unverzügliche Reparatur festgestellter Leckagen; Nachprüfung 24 h – 1 Monat nach Abschluss der Reparatur |
| EU-Verordnung | VO (EU) 2024/573 | KL1 | Art. 4 Abs. 7 | Zertifizierungspflicht für Personal und Unternehmen; Vorsorgemaßnahmen gegen Gas-Austritt |
| EU-Verordnung | VO (EU) 2024/573 | KL1 | Art. 5 Abs. 1 | Dichtheitskontrollen bei ≥ 5 t CO₂-Äq. F-Gase oder ≥ 1 kg F-Gase (Gruppe 1); Ausnahmen für hermetisch geschlossene Anlagen |
| EU-Verordnung | VO (EU) 2024/573 | KL1 | Art. 6 Abs. 4 i.V.m. Art. 5 Abs.2 f | Regelmäßige Kontrolle von Leckage-Erkennungssystemen bei Schaltanlagen ab 500 t CO₂-Äq. (seit Inbetriebnahme ≥ 2017) |
| VDMA-Einheitsblatt | VDMA 24186-5 | KL3 | Pos. 1 | Regelmäßige Wartung elektrotechnischer Anlagen gemäß den Wartungsprogrammen (Teil 5: Elektro) |
Begriffe und Referenzgrößen
Die in diesem Dokument verwendeten Begriffe entsprechen den Definitionen der VO (EU) 2024/573. Dies betrifft insbesondere „fluorierte Treibhausgase (F-Gase)“, „SF₆“, „CO₂-Äquivalent“, „Dichtheitskontrolle“, „Leckage-Erkennungssystem“ und „Re-Prüfung“. Für Wartungstermine und -arbeiten gelten die Begriffsdefinitionen aus dem VDMA 24186-5. Diese einheitliche Verwendung stellt sicher, dass alle Verpflichtungen nach den geltenden Normen interpretiert werden.
SF₆-Ausstiegsplanung und Ausnahmemanagement (Art.13 Abs.7)
Gemäß VO (EU) 2024/573 ist ab dem 1. Januar 2035 der Einsatz von SF₆ in der Instandhaltung elektrischer Schaltanlagen verboten, sofern nicht recyceltes SF₆ verwendet wird oder sein Einsatz aus technischen Gründen ausgeschlossen ist. Deshalb erstellt der Betreiber eine verbindliche SF₆-Ausstiegs-Roadmap, die alle betroffenen Anlagen mit ihren aktuellen SF₆-Füllmengen (in CO₂-Äq.), den geplanten Ersatztechnologien und Meilensteinen umfasst. Die Roadmap enthält Budget- und Stillstandsplanungen, Liefer- und Qualifikationsanforderungen sowie konkrete Termine für die Migration auf SF₆-freie Systeme. Für Anlagen, bei denen eine gesetzliche Ausnahme nötig ist, werden vor einer weiteren SF₆-Nutzung detaillierte Begründungs- und Nachweisdossiers angefertigt, genehmigt und im CAFM abgelegt.
Emissionsvermeidung und Leckageprävention
Dichte Verbindungen und geprüfte Dichtungen: Einsatz von gasdichtem Material und regelmäßige Prüfung auf Undichtigkeiten.
Zertifiziertes Personal: Montage und Wartung nur durch nach VO zertifiziertes Fachpersonal nach festgelegten Verfahren.
Regelmäßige Inspektionen: Sicht- und Dichtheitsprüfungen gemäß den Füllmengen und gesetzlichen Schwellenwerten.
Sauberes Handling: Sichere Prozesse beim Befüllen und Entleeren (geschlossene Systeme, Leckage-sicheres Equipment).
Störfallmanagement: Alarmpläne und Reparaturkonzepte zur sofortigen Eindämmung von austretenden Gasen.
Leckreparatur und Re-Prüfung
Festgestellte Undichtigkeiten sind unverzüglich zu beseitigen. Nach Abschluss einer Reparatur führt der Betreiber eine Bestätigungsprüfung der Dichtheit durch. Bei ortsfesten Anlagen erfolgt diese Re-Prüfung frühestens 24 Stunden nach der Reparatur und spätestens innerhalb eines Monats. Bei mobilen Anlagen kann die Prüfung unmittelbar nach der Reparatur erfolgen. Sämtliche Schritte werden protokolliert und in einem Maßnahmenregister dokumentiert.
| Schritt | Verantwortlich | Frist | Nachweis/Dokument |
|---|---|---|---|
| Meldung/Erfassung | Betrieb/Leitwarte | sofort | Störmeldung (Ticket) |
| Sicherung/Abschottung | Instandhaltung | sofort | Abschottungsprotokoll |
| Reparatur | Zertifiziertes Fachunternehmen | unverzüglich | Reparaturnachweis |
| Re-Prüfung | Zertifizierte Prüfstelle | 24 h – 1 Monat | Prüfbericht |
| Abschluss/Review | Betreiber/FM | 5 Arbeitstage | Abschlussbericht |
Dichtheitskontrollen und Schwellen
Für ortsfeste Anlagen mit F-Gas-Füllungen gelten die in der Verordnung genannten Schwellen: Eine Dichtheitsprüfung ist vorgeschrieben, wenn die Anlage ≥ 5 t CO₂-Äquivalent an F-Gasen (Anhang I) oder ≥ 1 kg F-Gase der Gruppe 1 (Anhang II) enthält. Ausnahmen bestehen für hermetisch geschlossene Einrichtungen, die die im Anhang II genannten Bedingungen erfüllen (z. B. < 10 t oder < 2 kg und entsprechend gekennzeichnet). Die Intervalle für wiederkehrende Prüfungen richten sich nach den gesetzlichen Vorgaben, der gefüllten Menge und dem Anlagentyp und werden im Prüfplan festgelegt und vertraglich fixiert.
Leckage-Erkennungssysteme
Elektrische Schaltanlagen, die seit dem 01.01.2017 in Betrieb genommen wurden und ≥ 500 t CO₂-Äquivalent F-Gase enthalten, müssen mit einem Leckage-Erkennungssystem ausgerüstet sein. Die Betreiber dieser Anlagen stellen zudem sicher, dass die Leckage-Erkennungssysteme mindestens einmal jährlich auf ihre ordnungsgemäße Funktion geprüft werden. (Für bestimmte festgelegte Anlagenkategorien gelten Prüfzyklen von bis zu sechs Jahren.) Der Inspektionsplan dokumentiert die erforderlichen Funktions- und Alarmtests, Prüfzyklen und Eskalationswege.
Zertifizierungspflichten und Vorsorgemaßnahmen
Arbeiten an F-Gas-haltigen Anlagen dürfen nur von entsprechend zertifiziertem Personal und zertifizierten Fachfirmen durchgeführt werden. Der Betreiber führt ein aktuelles Register aller relevanten Zertifikate, überwacht deren Gültigkeit und Umfang und stellt sicher, dass vor Tätigkeiten alle Nachweise geprüft sind. Vorsorgemaßnahmen (z. B. spezielle Werkzeuge, Notfall-Konzept) sind zu implementieren, um unbeabsichtigte Freisetzungen zu verhindern. Freigaben für F-Gas-Tätigkeiten werden ausschließlich bei vollständiger Qualifikationsnachweisführung erteilt.
VDMA 24186-5 – Wartungsprogramm Hoch-/Mittelspannungs-Schaltanlagen
Nach VDMA 24186-5 werden für Hoch- und Mittelspannungs-Schaltanlagen planmäßige Wartungen definiert. Inhalte sind u. a. Zustands- und Funktionsprüfungen der Gasdruckkammern, Dichtungskontrollen, sowie Prüfen der Betätigungs- und Schutztechnik. Sicht- und Reinheitsprüfungen der Schaltfelder und Justagen (z. B. Spaltabstände) werden bei Bedarf durchgeführt. Die Wartungsintervalle richten sich nach Herstellerangaben und Betriebsbedingungen. Alle Arbeiten werden anhand freigegebener Checklisten systematisch durchgeführt und dokumentiert.
| Objekt | Tätigkeiten (Beispiel) | Intervall | Qualifikation | Nachweis |
|---|---|---|---|---|
| Gasisolierte Schaltfelder | Dichtheits-/Druckprüfung, Sichtkontrolle, Funktionsprobe | vertraglich | Elektrofachkraft / HS-Sachkunde | Wartungsprotokoll |
| Schutzeinrichtungen | Funktions- und Plausibilitätsprüfung | vertraglich | Schutztechnik-Sachkunde | Prüfbericht |
| Mechanik/Antrieb | Schmierung, Justage, Betätigungstest | vertraglich | Instandhaltungspersonal | Checkliste |
VDMA 24186-5 – Wartungsprogramm Transformatorenstationen
Für Transformatorenstationen umfasst das Wartungsprogramm (441.20) u. a. Sicht- und Funktionsprüfungen des Transformators und seiner Anschlussklemmen, Kontrollen von Erwärmung und Geräuschen, sowie die Überprüfung der Kühlung/Lüftung (z. B. Filter, Luftwege). Sekundäre Betriebssysteme (Steuerung, Signalisierung, Alarme) werden ebenfalls geprüft. Bei Abweichungen in Messwerten oder Betriebszustand sind fristgerecht Korrekturmaßnahmen durchzuführen. Intervallvereinbarungen erfolgen gemäß Herstellerempfehlungen. Alle Prüfergebnisse und Anpassungen werden dokumentiert.
| Objekt | Tätigkeiten (Beispiel) | Intervall | Qualifikation | Nachweis |
|---|---|---|---|---|
| Transformator/Anschlüsse | Sichtprüfung, Temperatur-/Geräuschkontrolle | vertraglich | Elektrofachkraft | Wartungsprotokoll |
| Kühlung/Belüftung | Filter prüfen, Durchgängigkeit sicherstellen | vertraglich | Instandhaltungspersonal | Checkliste |
| Sekundärtechnik | Steuerungsprüfung, Signale/Alarme testen | vertraglich | Elektrotechnik-Sachkunde | Prüfbericht |
Dokumentation, Nachweise und CAFM-Führung
| Nachweis | Inhalt | Auslöser | Aufbewahrung |
|---|---|---|---|
| Dichtheitsprüfung | Prüfverfahren, Ergebnis, Schwellenwert | Intervall/Anlass | CAFM (≥ 5 Jahre) |
| Re-Prüfung nach Leck | Datum, Einhaltung Frist (24 h–1 M) | nach Reparatur | CAFM (≥ 5 Jahre) |
| SF₆-Ausnahme-Dossier | Begründung, Zeitraum, Umfang der Ausnahme | vor Verwendung | CAFM / Compliance |
| Zertifikate | Personal/Unternehmen, Status des Zertifikats | laufend | Zertifikatsregister |
