Anforderungen an Hoch- und Mittelspannungssysteme
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Anforderungen an Hoch- und Mittelspannungssysteme
Betreiber übertragen die Pflichten der Verordnung (EU) 2024/573, insbesondere das geplante Auslaufen der SF₆-Nutzung, das Verbot absichtlicher Freisetzungen, die Leckageprävention, die unverzügliche Reparatur mit fristgebundener Nachprüfung sowie die regelmäßigen Dichtheitsprüfungen und Kontrollen der Leckage-Erkennungssysteme, in klare Prozesse mit definierten Rollen, Fristen, Nachweisen und Kennzahlen. Durch die Einbindung der regelmäßigen Wartung nach VDMA 24186‑5 entsteht ein auditfähiges Betreiberkonzept, das einen sicheren Betrieb gewährleistet und eine vollständige Compliance bis 2035 ermöglicht.
Dieses Dokument definiert die Betreiberpflichten für Hoch- und Mittelspannungsschaltanlagen und Transformatorenstationen im Zusammenhang mit fluorierten Treibhausgasen, insbesondere SF₆. Es setzt die Anforderungen der Verordnung (EU) 2024/573 um und berücksichtigt die regelmäßige Wartung gemäß VDMA 24186‑5. Ziele sind die rechtssichere Betriebsführung, die Vermeidung von Emissionen, die Einhaltung von Reparaturfristen, die Qualifikation des Personals und die lückenlose Nachweisführung, um die Nutzung fluorierter Gase spätestens bis 2035 auslaufen zu lassen und einen sicheren Betrieb zu gewährleisten.
Anforderungen an Hoch- und Mittelspannungssysteme
- Rechtsgrundlagen
- Vertragsgegenstand
- Rollen
- Instandhaltungsmanagement
- Emissionsvermeidung
- Reparatur
- Dichtheitskontrollen
- Zertifizierung
- Wartungsleistungsverzeichnis
- Überwachung
- Nachweise
- Termin
- KPIs
Rechtsgrundlagen und Pflichtenzuordnung
Die folgenden Vorgaben aus den einschlägigen Regelwerken werden in konkrete Pflichten übersetzt.
Mapping Rechtsquelle → Vertragspflicht (Beispieltabelle)
| Rechtsquelle | Textstelle | Pflichteninhalt | Vertragliche Umsetzung |
|---|---|---|---|
| VO (EU) 2024/573 | Art. 13 Abs. 7 | Beschränkung der Verwendung und Instandhaltung von SF₆ ab dem 01.01.2035; Ausnahmen nur mit Nachweis | Migrations-/Retrofit-Plan, Stoffmanagement, dokumentierte Ausnahmen |
| VO (EU) 2024/573 | Art. 4 Abs. 1 | Verbot der absichtlichen Freisetzung fluorierter Gase | Arbeits- und Entsorgungsverfahren zur Freisetzungsvermeidung |
| VO (EU) 2024/573 | Art. 4 Abs. 3 | Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung unbeabsichtigter Leckagen | Leckagepräventionsplan, technische und organisatorische Maßnahmen |
| VO (EU) 2024/573 | Art. 4 Abs. 5 | Unverzügliche Reparatur mit Nachprüfung (24 h–1 Monat stationär; sofort mobil) | Störungs- und Reparaturprozess, Nachprüfprotokoll |
| VO (EU) 2024/573 | Art. 4 Abs. 7 | Zertifizierungsanforderungen für Personal und Unternehmen | Eignungs-/Zertifikatsregister, Arbeitsfreigaben |
| VO (EU) 2024/573 | Art. 5 Abs. 1 | Dichtheitsprüfungen für Anlagen oberhalb bestimmter Füllmengen | Dichtheitsprüfprogramm, Inventarlisten, Prüfintervalle |
| VO (EU) 2024/573 | Art. 6 Abs. 4 i. V. m. Art. 5 Abs. 2 f | Leckage-Erkennungssysteme und deren regelmäßige Kontrolle für bestimmte Schaltanlagen | Wartung/Kalibrierung der Detektionssysteme, Funktionsnachweise |
| KL3, Pos. 1 | Regelmäßige Wartung elektrotechnischer Anlagen | Wartungsleistungsverzeichnis mit Prüf- und Messumfängen |
Vertragsgegenstand, Abgrenzung, Begriffe
Gegenstand dieses Dokuments ist die Organisation und Nachweisführung sämtlicher Pflichten gemäß obiger Zuordnung für Schaltanlagen und Transformatorenstationen, einschließlich aller mit fluorierten Gasen verbundenen Betriebs- und Instandhaltungstätigkeiten. Nicht enthalten sind bauliche Erweiterungen oder Neuerrichtungen, die separat beauftragt werden müssen. Die verwendeten Begriffe (z. B. Tonnen CO₂-Äquivalent, Dichtheitskontrolle, Leckage-Erkennungssystem, stationäre vs. mobile Einrichtungen, Ausnahme nach Art. 13 Abs. 7 und „zertifiziertes Personal/Unternehmen“) entsprechen den Definitionen der genannten Normen.
Rollen, Verantwortlichkeiten und Unabhängigkeit
Die Pflichten werden auf eine klare Organisationsstruktur verteilt: Der Betreiber bleibt insgesamt verantwortlich; der Auftragnehmer stellt zertifiziertes Personal sowie kalibrierte Prüfmittel bereit und führt die Arbeiten fristgerecht aus. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, sollten Prüfung und Mängelbeseitigung getrennt organisiert werden.
Verantwortlichkeitsmatrix (RACI) – Beispieltabelle
| Prozess | Betreiber | Auftragnehmer (zert.) | Externe Prüfstelle | Behörde |
|---|---|---|---|---|
| Dichtheitsprogramm planen/führen | A / R | C / R | C | I |
| Leckage-Erkennungssystem kontrollieren | I | A / R | C | I |
| Reparatur & Nachprüfung organisieren | A | R | C | I |
| SF₆-Migration/Alternativen | A | R | C | I |
| I | A / R | C | I |
Stoff- und Instandhaltungsmanagement SF₆ (Art. 13 Abs. 7)
Ab 01.01.2035 darf SF₆ zur Instandhaltung nur noch in recycelter Form oder in begründeten Ausnahmefällen verwendet werden. Der Betreiber hat eine vollständige Bestandsaufnahme aller SF₆-haltigen Betriebsmittel (inklusive CO₂-Äquivalente) zu erstellen, eine langfristige Ersatzstrategie mit alternativen Technologien und Budget zu erarbeiten und dokumentierte Ausnahmebegründungen vorzulegen. Der Fortschritt der Umstellung ist jährlich zu berichten.
SF₆-Migrations- und Ausnahmemanagement – Beispieltabelle
| Inhalt | Mindestanforderung | Nachweis | Termin |
|---|---|---|---|
| Bestandsaufnahme | Liste der Geräte mit Füllmengen (CO₂-Äquivalent), Baujahr | Inventarliste | 6 Monate nach Vertragsstart |
| Retrofit-/Ersatzstrategie | Alternativtechnik, Zeitplan, Budgetrahmen | Migrationsplan | jährlich zu aktualisieren |
| Ausnahmebegründung | Technische/operative Gründe, Notfalllage | Dokumentierte Gründe | vor Einsatz nach 2035 |
| Statusbericht | Fortschritt der Umstellung | Jahresbericht | jährlich |
Emissionsvermeidung und Leckageprävention (Art. 4 Abs. 1, 3)
Intentional freigesetzte fluorierte Gase sind zu vermeiden; es sind Vorkehrungen zu treffen, um unbeabsichtigte Leckagen zu verhindern oder auf ein Minimum zu begrenzen. Dies umfasst dichte Montage, geregelte Arbeitsfreigaben, geschlossene Gasrückgewinnung, sichere Entsorgung und gute Zugänglichkeit von Prüfanschlüssen. Alle Arbeiten sind lückenlos zu dokumentieren.
Leckagepräventions- und Emissionskontrollplan
| Maßnahme | Beschreibung | Nachweis | Verantwortlich |
|---|---|---|---|
| Verfahren, PSA, Absaugung | Freigabeschein | Auftragnehmer | |
| Gasrückgewinnung/Entsorgung | Rückgewinnung vor Arbeiten, Entsorgungsnachweis | Wiegeschein, Entsorgerbeleg | Auftragnehmer |
| Dichtflächenmanagement | Auswahl Material, Anzugsmomente | Montage-/Anzugsprotokoll | Auftragnehmer |
| Prüfportzugang | Einbau/Herstellung von Prüfanschlüssen | Fotodokumentation |
Reparatur und Nachprüfung nach Undichtigkeiten (Art. 4 Abs. 5)
Leckagen sind sofort zu beheben; bei stationären Anlagen ist die Wirksamkeit der Reparatur frühestens nach 24 Stunden, spätestens nach einem Monat zu prüfen; bei mobilen Einrichtungen sofort. Der Ablauf umfasst Meldung, Absicherung, Reparatur, Nachprüfung, Freigabe und Dokumentation.
Incident-to-Closure-Ablauf
| Schritt | Frist | Ergebnisdokument | Rolle |
|---|---|---|---|
| Leckagemeldung/Absicherung | sofort | Störungsmeldung | Betreiber/AN |
| Reparatur | unverzüglich | Reparaturbericht | Auftragnehmer |
| Nachprüfung (stationär) | 24 h–1 Monat | Dichtheitsprotokoll | Auftragnehmer/Prüfstelle |
| Nachprüfung (mobil) | unmittelbar | Dichtheitsprotokoll | Auftragnehmer |
| Abschluss/Freigabe | nach Nachprüfung | Freigabevermerk | Betreiber |
Dichtheitskontrollen und Leckage-Erkennungssysteme (Art. 5 Abs. 1; Art. 6 Abs. 4)
Anlagen oberhalb der in der Verordnung genannten Schwellen (CO₂‑Äquivalente bzw. Kilogramm) sind regelmäßig auf Dichtheit zu prüfen. Elektrische Schaltanlagen mit sehr hohen Füllmengen benötigen Leckage-Erkennungssysteme, die mindestens jährlich funktional kontrolliert und kalibriert werden müssen.
Schwellen-, Intervall- und Systemanforderungen – Beispieltabelle
| Kriterium | Schwelle/Anwendung | Pflicht | Mindestintervall | Nachweis |
|---|---|---|---|---|
| Dichtheitskontrolle | gemäß Verordnung (z. B. CO₂-Äq., kg) | Planmäßige Leckprüfung | laut Einstufung | Prüfbericht |
| Leckage-Erkennungssysteme | für bestimmte Schaltanlagen | Funktionskontrolle und Kalibrierung | in der Regel jährlich | Kalibrierschein |
Zertifizierung von Personal und Unternehmen; Vorsorgemaßnahmen (Art. 4 Abs. 7)
Nur zertifiziertes Personal und zertifizierte Unternehmen dürfen F‑Gas-Arbeiten ausführen; vorsorgliche Maßnahmen (PSA, dichte Arbeitsweise, Notfallverfahren) sind nachweislich einzuhalten. Prüf- und Messmittel sind im Register zu führen und gemäß Herstellerangaben kalibriert.
Wartungsleistungsverzeichnis gemäß VDMA 24186‑5
Die regelmäßige Wartung elektrotechnischer Anlagen erfolgt nach dem VDMA‑Leistungsprogramm. Es werden Mindestumfänge, Intervalle und Dokumentationsanforderungen festgelegt; Funktions-, Sicht- und Messprüfungen sind vollständig zu dokumentieren; sicherheitsrelevante Einrichtungen haben Priorität.
Wartung – Hoch-/Mittelspannungsschaltanlagen (Auszug)
| Leistungsposition | Mindestumfang | Intervall | Nachweis |
|---|---|---|---|
| Schaltgeräte/Antriebe | Sichtprüfung, Funktions-/Mechaniktest | jährlich | Protokoll |
| Gasdichte/Überwachung | Anzeigen, Alarme, Sensorik | gemäß Hersteller | Prüfblatt |
| Schutztechnik/Relais | Funktionsprüfung, Auslesen der Einstellungen | gemäß Plan | Prüfbericht |
| Sammelschienen/Kontaktstellen | Sichtprüfung, thermografische Stichprobe | jährlich | Foto/Messung |
| Erdung/PA | Durchgangsprüfung aller Anschlüsse | jährlich | Messprotokoll |
Wartung – Transformatorenstationen (Auszug)
| Leistungsposition | Mindestumfang | Intervall | Nachweis |
|---|---|---|---|
| Leistungstransformator | Öl-/Isolationszustand, Lüfter, Laststufenschalter | gemäß Plan | Prüfbericht |
| Mittelspannungsschaltfeld | Sicht- und Funktionsprüfungen wie oben | jährlich | Protokoll |
| Schutz-/Leittechnik | Funktions- und Alarmtests | gemäß Plan | Prüfbericht |
| Räumliche Infrastruktur | Lüftung, Sauberkeit, Zutritt/Schließung | halbjährlich | Checkliste |
| Überspannungsschutz | Sichtprüfung, Austausch im Bedarfsfall | jährlich | Protokoll |
Überwachung, Störungsmanagement und Ersatzmaßnahmen
Der Betrieb ist so zu organisieren, dass Störungen unverzüglich erkannt, gemeldet und bearbeitet werden. F‑Gas-Leckagen werden gemäß Reparaturprozess abgearbeitet. Betriebsfortführung erfolgt nur unter sicheren Bedingungen; gegebenenfalls sind Bypass-Lösungen zu aktivieren.
Ereignis-/Maßnahmenmatrix
| Ereignis | Erstmaßnahme | Folgeaktion | Freigabekriterium |
|---|---|---|---|
| Leckageanzeige | Anlagensicherung | Reparatur + Nachprüfung | Dichtheitsprotokoll ok |
| Alarm Detektionssystem | Ursachenprüfung | Instandsetzung System | Funktionsnachweis |
| Schutztechnik-Fehlfunktion | Abschnitt abschalten | Fehlerbehebung/Prüfung | Schutztest ok |
Dokumentation, Nachweise und Aufbewahrung
Alle Vorgänge sind revisionssicher zu dokumentieren; dazu gehören Dichtheitsprüfungen, Leckagemeldungen, Reparatur- und Nachprüfberichte, Funktions- und Kalibrierbelege, Zertifikate und SF₆-Ausnahmebegründungen. Aufbewahrung: Prüf- und Reparaturunterlagen mindestens 10 Jahre, Wartungsberichte fortlaufend, Zertifikate stets aktuell.
Nachweismatrix
| Dokument | Mindestinhalt | Aufbewahrung | Verantwortlich |
|---|---|---|---|
| Dichtheitsprüfung | Gerät, Schwelle, Ergebnis, Datum | ≥ 10 Jahre | Auftragnehmer |
| Leckage-/Reparaturakte | Meldung, Reparatur, Nachprüfung | ≥ 10 Jahre | Auftragnehmer/Betreiber |
| Detektionssystem-Kontrolle | Funktion, Kalibrierstatus, Alarme | ≥ 10 Jahre | Auftragnehmer |
| Wartungsbericht | Leistungspositionen, Mängel | fortlaufend | Auftragnehmer |
| Zertifikate | Person/Unternehmen, Gültigkeit | aktuell | Auftragnehmer |
| SF₆-Ausnahmebegründung | Gründe, Zeitraum, Umfang | nach Bedarf | Betreiber |
Termin- und Meilensteinplanung (inkl. Zieljahr 2035)
Ein Zeitplan stellt sicher, dass alle Pflichten fristgerecht erfüllt werden und die Umstellung auf SF₆-freie Lösungen erfolgt. Prüf- und Wartungstermine sind mit dem Betriebsablauf abzustimmen.
Terminplan (Rahmenvorgaben)
| Meilenstein | Inhalt | Zieltermin | Statusbericht |
|---|---|---|---|
| Baseline-Inventar | + 3 Monate | Q1 | |
| Erstbewertung Schwellen | Identifizierung relevanter Mengen | + 4 Monate | Q1 |
| Detektionssysteme | Kontroll- und Kalibrierplan | + 6 Monate | Q2 |
| SF₆-Migrationsplan | Technik, Budget, Umstellphasen | jährlich | Jahresbericht |
| Zielerreichung 2035 | Abschluss der SF₆-Umstellung | 31.12.2034 | Abschluss |
KPIs, Reporting und Eskalation
Kennzahlen dienen der Steuerung; Abweichungen führen zu definierten Eskalationsschritten.
KPI-Set
| KPI | Zielwert | Quelle | Eskalation |
|---|---|---|---|
| Fristtreue Dichtheitsprüfungen | ≥ 95 % | Prüfplan/Protokolle | Betriebsleitung |
| Leckage-Abschlusszeit (stationär) | ≤ 30 Kalendertage | Incident-Akte | sofortige Eskalation |
| Detektionssystem-Kontrollen | 100 % planmäßig | Kalibrier-/Funktionsnachweise | Technikleitung |
| Wartungsquote | ≥ 95 % erfüllt | Wartungsberichte | Auftraggeber |
